Homofeindlichkeit in der Gesellschaft überwinden

Homofeindlichkeit ist wieder auf dem Vormarsch. In Deutschland propagieren nicht nur rechte Gruppierungen wie die AfD ein längst überkommen geglaubtes Gesellschaftsbild. Auch vermeintlich gemäßigte konservative Parteien wenden sich wieder offen gegen das Ideal einer freiheitlichen und toleranten Gesellschaft, in der LGBTIQ* gleichberechtigt und diskriminierungsfrei leben können. Deutsche Spitzenpolitiker*innen diskreditieren queere Lebensweise und Trans-Menschen in der Öffentlichkeit und ernten dafür Applaus. Selbst die Ehe für alle wurde in jüngster Vergangenheit wiederholt zur Disposition gestellt. Die Zeichen sind eindeutig: Die gesellschaftliche Akzeptanz für Homofeindlichkeit (Homophobie) wächst.

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In der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft herrscht bis heute ein Mangel an Verständnis für die Notwendigkeit LGBTIQ*-Anliegen zu thematisieren. Mehr als 40% der Bevölkerung sind der Ansicht, “Homosexuelle sollen aufhören, so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen”. Dem steht die Realität diametral entgegen, was insbesondere in der vollkommen ungenügenden Sichtbarkeit von Lesben in der Öffentlichen Wahrnehmung zum Ausdruck kommt. Lesben sind medial unterrepräsentiert, es mangelt an öffentlichkeitswirksamen Vorbildern für die Szene und auch von politischer Seite erfahren lesbische Belange nur unzureichende Aufmerksamkeit. Diese Problematik kommt auch deutlich im Mangel an lesbischen Begegnungsräumen zum Ausdruck.

Insbesondere in ländlichen Regionen Oberbayerns ist oft noch queerpolitische Grundlagenarbeit zu leisten. Ein Outing auf dem Land ist bis heute ungemein schwerer, als in der Stadt. Es fehlt an Beratungs- und Anlaufstellen für LGBTIQ*, die vom Bezirk Oberbayern geleistete Aufklärungsarbeit ist zu gering und es ist kaum zeitgemäßes Informationsmaterial über queere Belange vorhanden.

Doch auch im queerpolitisch fortschrittlicheren München gilt es weiterhin Aufklärungsarbeit zu leisten. LGBTIQ* sind in ihrer Jugend deutlich stärker mit Ausgrenzung und Homofeindlichkeit konfrontiert, als später im Erwachsenenalter. Im schulischen Umfeld muss noch mehr und intensivere Aufklärungsarbeit geleistet werden.

Unsere Forderungen

Ein klares Zeichen: Der Schutz vor Diskriminierung wegen sexueller Identität muss verbessert werden

Wir fordern in Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland den Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Identität aufzunehmen. Warum nennt das Grundgesetz die „sexuelle Identität“ bzw. die „sexuelle und geschlechtliche Identität“ nicht ausdrücklich als Schutzmerkmal, während dies mittlerweile in zahlreichen europäischen Rechtsvorschriften der Fall ist, beispielsweise in der Charta der Grundrechte der EU? Das Grundgesetz ist auch als Wertemaßstab zu verstehen. Zu diesen Wertemaßstäben gehört auch die Gleichstellung der sexuellen Identität. Eine Erweiterung von Art. 3 Abs. 3 GG würde ein wichtiges Zeichen für die queere Community setzen und die Akzeptanz von LGBTIQ* erhöhen.

Der Schutz der sexuellen Identität wird heute zumindest teilweise aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet. Allerdings ist dieser Schutz „schwächer“ als dies bei einer ausdrücklichen Nennung in Art. 3 Abs. 3 GG der Fall wäre. So wurde § 175 StGB, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte und bis 1994 Bestand hatte, vom Bundesverfassungsgericht 1957 – trotz Art. 3 Abs. 1 GG – als verfassungsgemäß angesehen! Eine solche Rechtsprechung wäre durch einen erweiterten Art. 3 Abs. 3 GG unmöglich gewesen. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu hat sich geändert, jedoch muss das Grundgesetz diese Maßstäbe im Angesicht von sich ändernden politischen und gesellschaftlichen Strömungen verankern. Nur so kann die Diskriminierung von LGBTIQ* durch einfachgesetzliche Bestimmung verhindert werden.

Desweiteren fordern wir, dass geschlechtsspezifische und homosexuellenfeindliche Beweggründe in den Katalog der Strafzumessung des § 46 Abs. 2 des Strafgesetzbuches explizit aufgenommen werden. Denn bei der Bemessung der Strafe einer strafbaren Handlung werden nach derzeitigem Rechtsstand lediglich rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Beweggründe genannt. Die geschlechtsspezifische und homosexuellenfeindliche Beweggründe werden als “sonstige (...)” nicht eigens erwähnt. Sie sind also nicht sichtbar. Eine Änderung ist erforderlich, um Straftaten gegen LGBTIQ* einen stärkeren Schutz zu geben.

Entschlossene Maßnahmen für mehr lesbische Sichtbarkeit

Bis heute leiden Lesben unter einer zu geringen gesellschaftlichen Wahrnehmung. Um dies zu ändern fordern wir wirkungsvolle Maßnahmen und Projekte. Die Stadt München soll eine öffentlichkeitswirksame Informationskampagne starten, um die Bekanntheit lebischer Persönlichkeiten und Botschafterinnen in der Stadtgesellschaft zu steigern. Denn lesbsiche Frauen leisten einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Münchner Stadtgesellschaft, der bis heute nicht ausreichend anerkannt wird. Denkbar sind Publikationen, Plakataktionen, eine Sonderausstellung im Stadtmuseum, etc.

Desweiteren fordern wir die Unterrepräsentation von Lesben in LGBTIQ*-bezogenen Stellen im öffentlichen Dienst zu beenden. Die für die Community relevanten Stellen sollen, wo immer möglich, gleichberechtigt mit Vertreter*innen der Community besetzt werden, um die Überrepräsentation schwuler Männer auszugleichen.

Längst überfällig: Vollständiges Verbot von Konversionstherapie

Wir fordern das bundesweite Verbot von Konversionsbehandlungen an Erwachsenen. Noch immer treiben sogenannte „Homoheiler“ ihr Unwesen in Deutschland. Sie behaupten die sexuelle Identität ihrer Kund*innen verändern zu können, also sie zu Heterosexuellen machen zu können. Diese Verfahren entbehren jeglicher wissenschaftlicher und medizinischer Grundlage. Konversionstherapien sind gefährliche Scharlatanerie, die zu schweren psychischen Problemen führen kann. Ein bundesweites Verbot ist überfällig!

Grundsatzarbeit auf dem Land: Oberbayern muss mehr für LGBTIQ* tun

Wir fordern einen queerpolitischen Maßnahmenplan des Bezirks Oberbayern. Wer sich auf dem Land outet wird noch immer deutlich öfter mit Ausgrenzung und Homofeindlichkeit konfrontiert als in einem städtischen Umfeld. Kein Wunder: Der Bezirk Oberbayern engagiert sich kaum für queere Belange. Es fehlt an Anlauf- und Beratungsstellen für LGBTIQ*. Informationsmaterial ist kaum vorhanden und häufig nicht zeitgemäß. Die Aufklärungsarbeit in Schulen wird vernachlässigt. Der Bezirk hat Mittel und Möglichkeiten das zu ändern! Zudem mangelt es auf Kreisebene an professionalisierten Anlaufstellen für LGBTIQ* in einer vergleichbaren Qualität, wie diese in München vorhanden sind. Daher fordern wir die Einrichtung von Stellen für LGBTIQ*-Beauftragten, mindestens in allen Landkreisen.

Homofeindlichkeit von den Schulhöfen verbannen: Mehr Aufklärungsarbeit in Schulen

Wir fordern mehr Aufklärungsarbeit über queere Themen, speziell für Jugendliche. Das „Aufklärungsprojekt München“ ist eine wichtige und gute Initiative, die von städtischer Seite unterstützt werden muss. Zudem müssen aber weitere Initiativen gestartet werden, um Jugendliche noch besser anzusprechen. Doch es gilt nicht nur zu informieren: Auch für junge Queers braucht es gezielt Initiativen. Denn ein schweres Outing in jungen Jahren kann zu einer langfristigen psychischen Belastung bei Betroffenen führen.

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